Die Entscheidung

Wie ich im letzten Post schon geschrieben hatte, war Mathias ziemlich gestresst mit seiner Stellensuche. Er hatte sich bei gut 40 Unis beworben, und einige davon hatten ihn dann auch zu einem Vorstellungsgespraech eingeladen. In Europa hatte er leider wenig Erfolg. So kamen drei Unis in die engere Wahl, bei denen sich Mathias dann auch vorstellen ging: Zuerst bei Purdue in West Lafayette, Indiana, dann in Salt Lake City, Utah, und zum Schluss noch beim Virginia Tech in Blacksburg, Virginia.

Etwas Gutes hatte die ganze stressige Phase: Wir wussten jetzt zumindest schon ziemlich sicher, dass wir noch eine Weile in den USA bleiben werden, und hatten Zeit, uns seelisch darauf vorzubereiten. Berkeley war ein Abenteuer, wir kamen fuer 1-2 Jahre. Aber jetzt geht es um die naechsten ca. 5 Jahre! Das ist schon ziemlich was anderes! Als Erstes beschlossen wir, uns ein neueres Auto zu kaufen. Mazda Marvin pfiff ja wirklich schon aus dem letzten Loch. Mathias schaute sich zig Autos online an, und fand dann eins, dass von einem Haendler ziemlich heruntergesetzt war. Es war ein schnuesiger kleiner Chevrolet mit manueller Schaltung, was moeglicherweise der Grund fuer die Preisreduktion war. Mathias wollte ihn mal anschauen, daher fuhren wir am Samstag drauf ins 40min entfernte Napa. Dort liessen wir uns den kleinen Schnueggel (3.9 Meter lang!) zeigen und fuhren mit ihm eine halbe Stunde rum, und nachdem wir eine Weile ueber den Preis verhandelt hatten beschlossen wir, ihn gleich zu kaufen. Irgendwie haben wir ein Talent dafuer, immer gleich das Erste zu kaufen was wir uns anschauen... Ich weiss nicht ob das nun gut oder schlecht ist! Aber eigentlich ist uns nur die Zeit zu bloed, mit der Suche von vorne zu beginnen.

Das Kaufen ging dann doch laenger als gedacht, wir verbrachten den ganzen Nachmittag in dem Buero. Mathias stellte einen grossen Check aus, der zu unserer Verblueffung ziemlich achtlos in eine Schublade geworfen wurde... Wir sind halt doch nur kleine Fische und wahrscheinlich sind sie einfach nur froh, den Wagen endlich los zu sein. Als wir dann endlich fertig waren, gingen wir schnell Mittagessen, denn es war fast vier Uhr nachmittags und wir waren ausgehungert! Waehrend dem Essen diskutierten wir ueber den Namen des neuen Wagens. Ich fand, er sehe weiblicher aus als Marvin... Als die Rechnung kam, stand da der Name der Servierduese drauf: Chelsey! Wir prusteten los, denn es war klar, dass das der perfekte Name fuer unseren neuen Chevy ist. Wenn das die echte Chelsey wuesste..!

Wir fuhren dann also getrennt in zwei Wagen nach Hause, und Mathias beschloss, Marvin gleich mal zu einem (wie wir fanden) ziemich hohen Preis auf Craigslist zu stellen, um zu "sehen was passiert". Womit wir definitiv nicht gerechnet hatten: Es passierte sehr schnell sehr viel! Am Sonntag morgen um acht dueste Mathias los, um noch ganz kurz den Marvin zu saugen, und dann wollten ihn die Ersten bereits probefahren. Etwa um elf kam Mathias ohne Marvin und dafuer mit einem Couvert voller Geld zurueck. So schnell kanns gehen! Wir waren dann doch ein bisschen ueberrumpelt, aber tja, jetzt ist die Sache wenigstens erledigt!

Nachdem alle drei Interviews abgeschlossen waren, kam die grosse Entscheidungsfrage. Virginia war fuer mich nicht wirklich eine Option, der Ort ist ziemlich klein und es gaebe fuer mich nicht wirklich viele Arbeitsmoeglichkeiten dort. Purdue und Salt Lake waren beide etwa gleich gut im Rennen. Beide hatten viele Vor- und Nachteile: In Purdue ist die Uni etwas besser, dafuer waere in Salt Lake City die Umgebung definitiv spannender. In West Lafayette ist der Zeitunterschied zu Europa nur 6h, dafuer ist der internationale Flughafen ueber 2 Fahrstunden entfernt. Wir beschlossen, uns fuer Purdue zu entscheiden: Wir fanden, dass wenn Mathias jetzt schon so fuer seine Professur gekaempft hat, er auch an die bestmoegliche Uni gehen soll, die ihn will. Sein Bauchgefuehl war dort einfach am besten. Wir machen einen kleinen Abstrich in Sachen Umgebung: Salt Lake City waere definitiv spannender gewesen mit allen Bergen und Naturparks - in Indiana ist es einfach nur flach! Es hat zwar im Winter auch Schnee, aber geh mal skifahren ohne Huegel... Aber ich finde, es waere schade wenn wir das als Hauptkriterium nehmen - wir gehen ja hauptsaechlich wegen Mathias' Job, zu schoenen Orten koennen wir immer noch in den Ferien reisen. Im Alltag ist das relativ egal... Klar waere es schoen gewesen, aber man kann eben nicht alles haben. Und Purdue schaut ganz nett aus.

Woher ich das weiss? Nun, Mathias hat den Leuten dort netterweise gesagt, dass er nicht unterschreibt, bis ich nicht auch mal mindestens die Stadt gesehen habe. Die Uni schloss wohl daraus, dass ich der Klotz am Bein sei der ueberzeugt werden muesse. Und so stellten sie mir fuer Mathias' zweiten Besuch ebenfalls einen Ablaufplan zusammen, und ich hatte sogar mehr Programm als Mathias. Ich durfte mich mit einem Schulleiter, einer ehemaligen Lehrerin und dem Chef der Schulbehoerde treffen. Zudem war ein Mittagessen mit zwei Leuten geplant, eine Haeusermaklerin fuehrte uns in der Gegend herum und zeigte uns ein paar Haeuser, und zum Abendessen wurden wir bei Mathias' Gastgeber zuhause mit ein paar anderen Leuten zum Znacht eingeladen. An diesem Montag hatte ich ab halb neun Uhr morgens zweimal eine freie Minute, naemlich die zwei Male als ich kurz aufs Klo gehuepft bin. So ein Stress aber auch! Aber was macht man nicht alles damit der Hubby seinen Traumjob bekommt...

Ich hatte also ganz schoen Bammel vor diesen Gespraechen, denn ich hatte mich noch ueberhaupt nicht darauf vorbereitet, ich hatte noch keine Ahnung wie das Schulsystem in Indiana ist und ich hatte auch noch keine Zeit mir zu ueberlegen was ich dann ueberhaupt machen will, daher war ich ziemlich ueberrumpelt und ich hatte auch Angst dass es ziemlich peinlich werden koennte wenn ich allen sagen muss dass ich keine Ahnung haette, aber die waren schlussendlich alle ganz freundlich und haben einfach ein bisschen mit mir geplaudert und mir von den Schulen und der Gegend erzaehlt. Ich hatte schon lange nicht mehr einen ganzen Tag lang Englisch gesprochen, das war ziemlich anstrengend! Aber alles geht vorueber, so auch dieser Tag. Und das Abendessen war sehr gemuetlich, und ich weiss jetzt, wieso Mathias ein gutes Bauchgefuehl hatte. Ich hoffe und wuensche ihm, dass der Job dann auch wirklich toll wird! Sonst gehen wir wieder nach Hause! ;)

Am Dienstag, dem 11. Maerz, hatte mein Vater Geburtstag - happy birthday!! Es ist schon sehr schade, dass wir bei solchen Anlaessen nicht oft dabei sein koennen. Aber wir sind ja selber schuld. Und fuer uns war das halt ebenfalls ein wichtiger Tag: Mathias hatte seinen Vertrag unterschrieben und unsere Zukunft nach West Lafayette versetzt! Als ich ihn abholen ging, strahlte er ueber beide Mundwinkel. Assistenzprofessor, das toent schon nicht schlecht! Und jetzt koennen wir also definitiv damit beginnen, unsere Zukunft ab August in West Lafayette zu planen. Es ist ein ziemlich kleiner Ort in Indiana: West Lafayette hat etwa 30'000 Einwohner, und Lafayette gleich auf der anderen Seite des Flusses hat etwa 70'000, also schon nicht wirklich gross. Aber gemuetlich, ruhig, sauber, und im Sommer sicher sehr schoen - im Winter halt etwas karg und kalt. Mathias meint: Wie der Aargau. Nun ja.

Uebrigens werden wir auch dort gerne wieder Besucher empfangen. Es ist uns bewusst, dass es in Lafayette wahrscheinlich nicht allzu viel zu sehen gibt. Aber wir sind ja nur knappe zwei Fahrstunden von Chicago und eine Stunde von Indianapolis entfernt, in der Umgebung gibt es also definitiv genug anzuschauen! Und von Chicago nach Zuerich gibt es Direktfluege, das ist also alles problemlos. Und die Ostkueste ist sooo total anders als Kalifornien! Ach ja und das haette ich fast vergessen: Als wir am Samstag Abend von Chicago nach West Lafayette fuhren, sahen wir kurz vor dem Ziel einen Waschbaeren! Den ersten (lebendigen!) den ich hier in den USA gesehen habe! Wenn das mal nicht ein gutes Zeichen ist. Nun ja, wir sind hauptsaechlich gluecklich dass die Sache jetzt geritzt ist und nun hoffentlich wieder etwas langweilige Normalitaet einkehren wird.

Uebrigens, wie ihr gemerkt habt ist dieser Blogpost bildlos. Das liegt hauptsaechlich daran, dass mein Handy kaputt ist. Und auch ein bisschen daran, dass ich keine Zeit hatte vor lauter Programm. Aber da wir ja dort hinziehen werden, werde ich noch genug Zeit fuer Bilder haben. Nur muss ich dann wohl den Namen "Lumi on the Road" auf "Lumi in der Pampa" umbenennen...

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