Das Haus

Nun waren wir also in der Lafayette Gegend. Zeit, eine Behausung zu suchen? Nein! Etwas hatte ich euch bisher naemlich verschwiegen. Wir hatten schon in Albany damit begonnen, uns nach einer Unterkunft umzusehen. Zuerst wollten wir temporaer in ein Apartment ziehen, um uns danach ein Haeuschen zu suchen. Doch das stellte sich als unglaublich kompliziert heraus, und noch schlimmer wenn man sich nicht gleich fuer ein ganzes Jahr verpflichten moechte. Irgendwann fanden wir dann auch, dass wir eigentlich schon genug oft "temporaer" gewohnt hatten. Mir ist aufgefallen, dass ich, seit ich bei meinen Eltern ausgezogen bin, ziemlich genau alle zwei Jahre den Wohnort gewechselt hatte. Zuerst Wohnung ueber Conny in Seebach, dann WG in Oerlikon mit Ben, dann beim Radiostudio mit Mathias, dann Seebach mit Mathias, dann Albany. (Mathias fuegt an: "Albany auch mit Mathias!")

Jedenfalls hatten wir also schon in Albany ab und zu die gaengigen Haeuserverkaufswebseiten durchgeschaut. Zuerst mal nur so beilaeufig, um zu schauen was es ueberhaupt so geben wuerde. Nebenbemerkung am Rande: Wir waren eigentlich sicher, dass wir ein Haus kaufen wollten, denn Mietpreise fuer Apartments sind relativ hoch, Haeuserpreise sind jedoch vergleichsweise tief. Zudem werden Mietwohnungen und -haeuser oft ziemlich vernachlaessigt, und wir haetten uns dann bei jeder Reparatur genervt dass wir das quasi dem Besitzer "schenken" wuerden. Wenn wir unser eigenes Haus kaufen, dann reparieren wir das wenigstens fuer uns.

Wir fanden schnell heraus, dass es in West Lafayette ziemlich genau zwei Arten von Haeuser gibt: Solche in der Naehe vom Campus, alle etwa aus den Fuenfzigerjahren, also eher aelter, kleiner, ein bisschen duester, zusammengepfercht, Kostenpunkt ca. 150-250 tausend. Und solche etwas weiter vom Campus entfernt, relativ neu, grossflaechiger, heller, offener, Kostenpunkt ca. 400-600 tausend. Da Mathias gerne in Laufdistanz vom Campus wohnen wollte, und auch ich nix dagegen hatte etwas Naeher am Zentrum des Geschehens zu sein als wir das in Berkeley waren, entschieden wir uns, Haeuser der ersten Sorte anzuschauen.

Auch bei diesen Haeusern gibt es wieder zwei Arten, mit beliebig vielen Zwischenstufen: Solche die noch nicht renoviert wurden, und die daher eher am unteren Ende des Preisspektrums sind, und solche die renoviert wurden, und die dann logischerweise am oberen Ende des Preisspektrums sind. Und alles Moegliche dazwischen, natuerlich. Hier beschlossen wir, tendenziell eher die erste Sorte Haeuser anzuschauen, und dann selber zu renovieren, denn dann wuerden wir schlussendlich gleichviel Geld bezahlen, dafuer koennen wir das Haus dann aber so renovieren wie wir wollen. Und das ist ziemlich signifikant, denn - dazu kommen wir noch oefters - unser Geschmack unterscheidet sich doch recht haeufig von dem der Amerikaner.

212 Dehart Street

Wir hatten also schon ab und zu etwas durch die Maklerseiten gestoebert, meistens fanden wir die Haeuser aber eher nicht so der Hit. Bei manchen fanden wir, dass sich etwas daraus wuerde machen lassen, aber mehr nicht. Bis mir Mathias dann den einen Link schickte. Ich guckte mich so durch die Fotos, und als ich beim Foto vom Buero angekommen war schrieb ich ihm zurueck: "Oh, deine Gitarre ist schon da!".

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Dann blaetterte ich weiter. Als ich zum Bild des Kinderzimmers kam, sah ich dass die Wand mit Sternchen dekoriert war. (Falls das jemand noch nicht mitbekommen hat: Ich liebe Sternchen!) Na wenn das kein Zeichen ist.

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Als ich dann in der Vorratskammer vegetarische Kochbuecher fand, war ich gekauft.

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Das war das erste Haus, das wir wirklich mochten. (Auch abgesehen von den drei Punkten die ich gerade geschrieben hatte - die waren mehr so i-Tuepfelchen.) Zudem war wahrscheinlich gerade der Zeitpunkt reif, vorher hatten wir nur ein bisschen unverfaenglich gestoebert, aber langsam wurde uns bewusst, dass Lafayette Realitaet werden wuerde, und zwar bald.

Da wir dann doch nicht blind ein Haus kaufen wollten, flog Mathias so ziemlich am letzten moeglichen Termin kurzentschlossen nach Chicago. Ueber Nacht flog er hin, liess sich am anderen Morgen das Haus zeigen, liess sich noch ein anderes Haus zeigen, und traf sich mit einer Bankerin um eine moegliche Hypothek zu diskutieren. Dann flog er gegen Abend wieder zurueck, ich holte ihn um elf Uhr abends am Flughafen ab, und am naechsten Tag gegen Mittag musste er nach Singapur an eine Konferenz fliegen. Ein ganz schoener Kraftakt, den er da hingelegt hatte. Leider sollte es nicht der letzte sein.

Das Haus schaute aber soweit gut aus, wir beschlossen, einen Kauf zu versuchen, und wenn es nicht klappen wuerde wuerden wir uns doch noch eine Wohnung suchen. Ein Haeuserkauf in Amerika ist eine spassige Sache. Ja, das ist nicht ernst gemeint. Es ist wahrscheinlich etwas vom Muehsamsten was wir je mitgemacht haben. Und wir haben hier drueben doch schon einiges erlebt. Ich will euch nicht mit Einzelheiten quaelen, daher gibts hier nur einen kurzen Ueberblick.

Ein Haeuserkauf in Amerika ist eh schon eine komplizierte Sache - man macht ein Angebot, die Verkaeufer lehnen ab, man macht ein neues Angebot, irgendwann akzeptieren sie eins, dann schickt man einen Inspektor in das Haus der fuer ein paar hundert Dollar alles genaustens ueberprueft, ausprobiert und inspiziert, und dann kriegt man einen mehrseitigen Bericht darueber was alles kaputt ist oder nicht funktioniert, dann sucht man sich die Punkte aus die die Verkaeufer reparieren sollen, die Verkaeufer machen wieder ein Gegenangebot, irgendwann pendelt man sich ein und dann trifft man sich bei einem Notar um eine gute Stunde lang Formulare zu unterschreiben. Ein ewiges Hin und Her. Und das ist nur mal die eine Haelfte.

Die andere Haelfte, nicht minder nervaufreibend, ist das Verhandeln mit der Bank. Was in der Schweiz eine Sache von wenigen Stunden ist, ist hier eine langandauernde Folter. Und wird zusaetzlich noch dadurch erschwert, dass wir Auslaender sind und unsere Credit History noch zu jung ist (darueber habe ich ja auch schon mehrfach geschrieben). Und dabei handelt es sich um eine Hypothek von fast laecherlichem Betrag, vor allem verglichen mit dem Lohn den Mathias dann haben wird. Sehr viel Aufwand fuer ein bisschen Geld. Aber man kommt halt nicht drum herum. Leider war mein Credit Score noch zu schlecht zu dem Zeitpunkt, plus ich bin ja gerade arbeitslos und ich habe auch fuer die letzten Jahre wenig nachzuweisen, so dass ich keine Chance auf eine Hypothek gehabt haette. Dies hatte nun ungeschickterweise zur Folge, dass Mathias die ganzen Strapazen mehr oder weniger alleine tragen musste und ich nicht viel helfen konnte. Das tut mir sehr leid, denn oh war das eine Qual!

In der Schweiz ist es so (ungefaehr), dass die Bank dir sagt: Wenn du das und das machst, dann kriegst du die Hypothek. Dann macht man das und das, und dann kriegt man ne Hypothek. In Amerika wurde Mathias gesagt: Ja, ist OK, du kriegst die Hypothek. Dann dachten wir natuerlich, OK das klappt, und haben mit den ganzen Kaufverhandlungen angefangen. Aaaber natuerlich will die Bank auch noch "das und das". Kein Problem, wird eingereicht. Ah und dann brauchen sie noch dieses, und jenes. OK, OK, wenns sein muss. Ah und dann noch Formular 457A, die Unterhosengroesse und saemtliche Kontobewegungen (inklusive der hinterletzten Details) der letzten 200 Jahre. Aaaaaaargh! Das Muehsamste daran war, sie haben nicht am Anfang gesagt, was sie brauchen. Immer nur haeppchenweise. Immer wenn man dachte "jetzt haben sie dann aber alles", kam die naechste Forderung. Irgendwann findet man dann, die Bank koenne einem den Buckel runter rutschen, aber bis da hat man schon so Vieles erledigt dass es schade waere um die ganze bereits investierte Arbeit. Eine leidige Sache, wirklich.

Das alles haben wir als naive, nein optimistische, Europaeer, kommend von einem funktionierenden System, uns natuerlich nie traeumen lassen, sonst haetten wir den ganzen Prozess nicht gestartet bevor wir uns auf unsere grosse Reise gemacht hatten! Nein, wir dachten einfach nur "oh, es klappt, cool, dann koennen wir vielleicht wenn wir drueben sind gleich alles klaeren, das waere doch praktisch! Probieren wirs mal!". Schlussendlich lief es dann darauf heraus, dass bei jedem Motelstop mit Internet der naechste Hammer kam. Dann ging Mathias erst mal alle Waende hoch, dann setzten wir saemtliche Hebel in Bewegung um alles zusammenzusuchen was die Bank noch wollte, dann versuchten wir uns (bzw. hauptsaechlich Mathias) wieder zu beruhigen um den naechsten Reiseabschnitt zu geniessen, bis zum naechsten Hammer. Ja, das haetten wir echt nicht gebraucht. Aber.....

...long Story short: Es hat, auf irgend eine wundersame Art und Weise, entgegen allen Befuerchtungen, geklappt. Wir haben ein Haus!! (Und Mathias' Sanity werden wir irgendwann wohl schon wieder finden...)

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Ein nettes Haeuschen im Gruenen. Wie gesagt ist es etwas alt und renovationsbeduerftig, aber da ich wahrscheinlich im ersten Jahr eh keine Arbeitsbewilligung bekomme bin ich dann wenigstens beschaeftigt. Am 23. Juli konnten wir einziehen, und zuerst hatten wir uns natuerlich mit putzen und ausmisten beschaeftigt - in Amerika werden Haeuser nicht geputzt uebergeben (auch Wohnungen und so ja nicht). Da unsere Vorgaenger sehr interessante Leute waren, gab es also noch einiges zu tun.

Danach beschaeftigte ich mich mal damit, das Wohnzimmer neu zu streichen, denn dies sah zu Beginn so aus:

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Erinnert ihr euch, dass ich geschrieben habe, dass Amerikaner oftmals einen ziemlich anderen Geschmack haben als wir? Nun, ich weiss echt nicht wer auf die Idee gekommen ist das ganze (!) Wohnzimmer so anzuschmieren. Keine Ahnung. Und es brauchte tatsaechlich vier (!) Lagen Farbe, um das Rot wieder wegzubekommen. So war ich dann auch ein paar Tage lang damit beschaeftigt, etwas mehr als angenommen. Aber jetzt sieht es so aus:

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Ein paar Farbkleckse werden dann schon noch dazu kommen, aber sicher nicht mehr so viel! Uebrigens, ich war auch auf der Suche nach schoenen Kissen fuer auf die Couches oder nach schoenen Teppichen fuer auf den Boden. Tja, anderer Kulturkreis, anderer Geschmack. Bisher war ich jedenfalls noch erfolglos auf der Suche nach einem gemeinsamen Nenner...

Was wir auch schrecklich fanden sind manche Vorhaenge, die drin waren:

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Iiiiiek!! Da haben wir jetzt temporaer mal eine Store hingemacht. Jeder darf selber entscheiden was ihm besser gefaellt, meine Wahl ist klar... (Langweilig? Nennen wir es schlicht...)

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Ich schreibe "temporaer", weil wir wahrscheinlich irgendwann im Herbst mal die Fenster austauschen wollen - da es hier im Winter richtig kalt wird, sollte es energietechnisch Sinn machen, bessere Fenster einzubauen.

Ebenfalls auf der Renovationsliste steht die Kueche:

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Die muss dann wahrscheinlich mal groeber ueberarbeitet werden. Die meisten anderen Zimmer muessen hauptsaechlich neu gestrichen werden, dann sind sie durchaus brauchbar. Mathias hat den ganzen Parkettboden gewachst, das hatten die Vorgaenger irgendwie nicht gemacht - interessante Leute, denn die Kuechenplaettchen hatten sie gewachst. Sachen gibts. Nun ja.

Was sie auch nicht wirklich gemacht hatten, war, den Rasen zu pflegen. Denn es hat einen sehr schoenen, grossen Garten der zum Haus gehoert:

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(Das Bild ist noch von den Vorgaengern, Moebel und so sind jetzt weg.) Nur das Problem ist, der ganze Rasen ist ueberwuchert mit Efeu, Winden, Klee, und jenstem anderem Zeugs. Gluecklicherweise habe ich letzthin die meditative Funktion des Jaetens erkannt, daher werde ich wohl noch einige Stunden kniend verbringen.

Ja, wie gesagt, es wird noch einiges zu tun geben, aber langsam haben wir uns daran gewoehnt in so einem riesigen Haus zu wohnen. Am Anfang war es schon ein bisschen krass. Und es ist auch recht spannend, man weiss nie was man als Naechstes noch findet, im Keller liegt ganz viel Zeug rum, im Garten haben wir zum Beispiel eine Spritzkanne und einen Composter gefunden und irgendwann versteckt noch einen Gartenschlauch... Das findet man einfach und dann gehoerts einem. Lustig. Wie ein Adventuregame. Use Gartenschlauch with Garten. Und dann hoffen dass man ein Level aufsteigt.

Bei der Waschmaschine ging der Aufstieg recht schnell. Mathias hat die Tuer aufgemacht, reingeguckt, die Tuer zugemacht und dann sind wir eine neue kaufen gegangen. Und ja, Mathias hat in solchen Belangen meistens eine groessere Schmerzgrenze als ich. Es muss also wirklich wirklich grauslig gewesen sein. Aber mich freuts, die neue Maschine ist super!

Ansonsten haben wir bisher hauptsaechlich Kuechenzubehoer und ein paar Moebel gekauft, es laesst sich also bereits darin wohnen, wird aber sicher in naechster Zeit noch etwas ausgebaut werden. Aber jetzt muessen wir unser neues Haeuschen bereits wieder verlassen, denn zuerst ist ja noch Urlaub in der Schweiz angesagt. (Plus es wartet bereits der naechste Kampf mit Amerikanern, diesmal ums Visa! Yay!) Daher sind wir am Mittwoch Morgen frueh nach Chicago zum Flughafen gefahren. Bye bye West Lafayette!

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Und im Moment befinden wir uns in San Francisco. Wait, what?? Ist das nicht die falsche Richtung? Doch, klar, aber unser Rueckflug in die Schweiz ist halt noch von hier aus. Zudem hatten wir noch etliche Koffer untergestellt, die wir jetzt abgeholt hatten. Wir konnten bei der neuen Mieterin in unserem alten Apartment netterweise noch unsere Post abholen, und dann haben wir uns noch ein letztes Mal mit den Pradels zum Znacht in Mathias' Lieblingsmexikaner getroffen - mexikanisches Essen wird in Indiana halt schon nicht so authentisch sein wie hier in California!

Die Pradels gehen bald nach Europa zurueck, es zieht sie zurueck nach Deutschland. Bei der erneuten Umsiedelung wuenschen wir natuerlich viel Erfolg, auch wenn ich sie dieses Mal wahrscheinlich nicht werde vom Flughafen abholen koennen! Aber wir hatten uns sehr darueber gefreut, dass sie ein Jahr lang mit uns hier in Berkeley waren, und hoffen, dass sie uns auch mal in Indiana besuchen kommen werden! Paul hat uns sogar schon ein Bild von unserem Haus gemalt, wie er es sich vorstellt:

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Find ich super. Genau so habe ich es geplant. Aber jetzt duesen wir zuerst einmal in die Schweiz - bis bald!!

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